"zwangsweise behandelt" klingt als würdest Du das ablehnen?
Man muss dabei unterscheiden was hier vorliegt.[...]
Aus meiner Sicht ist das der erste Schritt in die Hölle. Das ganze Leben führt zum Tod, wie will eine Gesellschaft entscheiden, welchen Weg wir zu Ende gehen müssen und welchen nicht? Welches Leid muss ertragen werden? Welches nicht? Und wer entscheidet darüber?
Wenn Schmerzen eine legitime Begründung für Selbstmord sind, warum akzeptierst Du nur körperliche Schmerzen, wo die doch gut zu behandeln sind? Warum soll sich nicht jemand, der 50 Jahre lang mit seiner Frau verheiratet war und ohne sie nicht leben will (und kann) umbringen dürfen? Und wie viele Jahre muss man verheiratet sein? Genügt es nicht, allein den Schmerz zu spüren?
Die Schwierigkeit ist aus Meiner Sicht, dass Du einen Maßstab definieren musst, zu bewerten welches Leiden ertragen werden muss und welches nicht. Wer muss ein Leben leben das er nicht leben will? Der unheilbar Kranke? (Was ist „unheilbar“, wo doch alle sterben müssen?) Der Entstellte? (Warum nicht der Hässliche?) Der einsame Greis? (warum nur Greise?)
Für einen japanischen Fürsten des Mittelalters war der Verlust der Ehre seiner Familie viel schlimmer als jeder körperliche Schmerz, doch ihm würdest Du verbieten, was Du einem lebensunwilligen Kranken gewähren würdest (Seppuku ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts verboten).
Ich glaube, eine Entscheidung, die der einzelne nicht treffen sollte, sollte auch die Gesellschaft nicht treffen. Alle Gründe den Tod zu suchen und dieses Suchen gerechtfertigt zu finden sind abhängig vom Zeitgeist bzw. von den Lebensumständen. Wenn jemand durch Fehlspekulation sich und seine Familie ruiniert, sollte er sich nicht aus der Affäre ziehen, denken wir, für Japaner des 13. Jahrhunderts (und teilweise noch viel später) wäre die Forderung nach Selbstmord selbstverständlich gewesen. Heute ist das gesellschaftliche Umfeld anders und kaum jemand der versagt hat sieht sich noch gezwungen sich umzubringen. Aber wenn das das soziale und gesellschaftliche Umfeld anders wäre, würde nicht vielleicht auch Craig Ewert noch leben wollen? Ich habe seinerzeit den Papst Johannes Paul II. bewundert, weil er sein Siechtum öffentlich machte, sich nicht zurückzog: ich lebe. Ich lebe!
Das Leben ist das einzige absolute das wir haben, und gerade deswegen sollte es nicht relativiert werden dürfen, durch nichts und niemanden, auch nicht durch ein wohlmeinendes, mitfühlendes Prinzip. Jeder Versuch der Relativierung, des Trennens von „gutem“ und „schlechtem“ Selbstmord führt auf einen Weg, der zu den gefeierten Mördern der Hamas oder der Al Qaeda führt. Statt uns Gedanken über Selbstmörder und Selbstmordhelfer zu machen, sollten wir uns fragen, wie wir die Welt verändern müssen so dass auch Craig Ewert und Bettina Schardt noch darin leben wollen, sonst müssen wir irgendwann auch der Liebeskummer leidenden 15 Jährigen Sterbehilfe leisten, die ihre Brüste zu klein und ihr Gesicht zu hässlich findet.
Gruß,
excelchen