Bundeswehr: Kamerad in der Not (mal was zum Nachdenken)?

  • Als ich gestern mit einer Freundin über ICQ plauderte, gab ich einige lustige Erlebnisse über meine Bundeswehrzeit zum Besten. Da ist mir aber später auch noch eins eingefallen, das nicht unbedingt lustig ist, aber ich würde doch gerne Eure Meinung dazu lesen (weiß auch nicht warum, aber irgendwie beschäftigt mich das jetzt). Folgendes ist damals geschehen:

    Ich und ein Kamerad sind zu zweit unterwegs. Ich die Panzerfaust, er die Munition. Der Unteroffizier brüllt:"Achtung, Panzer von rechts!" Wir werfen uns in Deckung, ich gehe ins Ziel, der Kamerad lädt. Ich feuere, treffe aber nur die Kette.
    Unteroffizier (In dem Fall quasi der Spielleiter): "Panzer hat Feuer erwidert. OG XXXXXXXX, Ihr Kamerad ist schwer verwundet. Was tun Sie? Handeln Sie!"
    Ich schnappe mir Waffe und Munition und mache mich erst mal vom Acker. Den Kameraden lasse ich (notgedrungen) liegen. Eine Handlungsweise, die zunächst vom Unteroffizier scharf verurteilt wird. "Wir lassen keine Verwundeten liegen!"

    Ich konnte aber in der Nachbesprechung meine Handlung folgendermaßen begründen:

    • -Hätte ich den Kameraden genommen, müsste ich die Waffen zurücklassen. Ich könnte also weder mich, noch meinen Kameraden verteidigen.
    • -Mit dem Kameraden müsste ich mich vorsichtig bewegen (aufgrund der Verletzungen), was meine Wendigkeit und Schnelligkeit beeinträchtigt. Da ich nicht wusste, wie es um den angeschossenen Panzer bestellt war, wäre es ein großes Risiko gewesen, vom Panzer dennoch erwischt zu werden - und mit mir der wehrlose Kamerrad.
    • -Alleine und mit der Waffe konnte ich den Kampf fortführen, und somit den Feind von meinem wehrlosen Kameraden ablenken (Anmerkung: man kann die Waffe auch alleine bedienen, es ist nur schwieriger und langsamer)
    • -Indem ich mich durchschlage, kann ich professionelle Hilfe für den Kameraden organisieren, da mir die Stelle bekannt ist.

    Der Hauptmann erkannte meine Argumentation an und sprach mich von jeglichem Fehlverhalten frei. Wie hättet ihr entschieden?

    Alles ist auf irgendein Naturgesetz zurückzuführen. Wenn uns etwas unnatürlich vorkommt, dann nur deshalb, weil wir das entsprechende Naturgesetz noch nicht kennen.
    Meine SF-Story

  • Interessante Situation... Ich war nur bei der Luftwaffe, da hatten wir sowas nicht.
    Aber die Frage ist gut. Ich weiß es ehrlich nicht, was ich genau tun würde. Deine Argumentation hat was für sich, bist du auch sicher das es der wahre Beweggrund war? Ok, in einem Testszenario glaube ich das gerne, aber im Ernstfall?
    Ich hoffe nur das wir zu diesem nicht kommen werden...

  • jo, so kann man das nicht sagen.
    das müsste man schon vor-Ort sehen (gibt zuviele unbekannte parameter die die entscheidung beeinflussen).
    generell kann man die frage sicher nicht beantworten.
    aber aufgrund deiner argumentation denke ich, dass du die richtige wahl getroffen hast.

    zum glück konnte ich mich nach zwei wochen mit einem ledierten knie aus dem army-club rauswieseln.
    sowas brauchte ich echt nicht :D

  • Vielleicht sollte man noch etwas über das Umfeld hinzufügen:
    Bewaldetes und hügeliges, unübersichtliches Gelände. Die eigentliche Truppe war zwar nicht in unmittelbarer Nähe, aber in durchaus in Reichweite . Auch hatte ich keinerlei Informationen darüber, ob noch weitere Soldaten des Gegners unterwegs waren. Allerdings musste ich damit rechnen, denn ein Panzer ist selten alleine.
    Ich rechnete in dem Moment damit, das die Überlebenschancen des Kameraden alleine höher ist, selbst wenn er gefunden wird. Denn man würde ihn wohl nicht erschießen, wenn er schon kampfunfähig ist. Mich dagegen würde man jagen, und damit wäre ICH das Risiko für den Kameraden, nicht der Feind. Naja, solcherart waren eben meine Gedankengänge, soweit man eben in der kurzen Zeit nachdenken kann.

    Alles ist auf irgendein Naturgesetz zurückzuführen. Wenn uns etwas unnatürlich vorkommt, dann nur deshalb, weil wir das entsprechende Naturgesetz noch nicht kennen.
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  • Meine BW Zeit liegt schon einige Jahre(zehte) zurück, aber schon damals nervte mich die übertriebene Lazartetdokrin, die wenn sie angewand wie es im Lehrbuch steht, die BW absolut Gefechtsunfähig machen würde.
    Taurec, dass Ihr Kompaniechef Ihre Agumantation akzeptierte, wundert mich ein wenig. Wenn sowas durchsickern würde, nach oben zur Harthöhe, müsste der Offizier um seinen Posten bangen.
    Denn nach aussen gibt sich die BW gerne all zu human und Heilsarmeeähnlich.
    Im echten gefecht käme es immer auf die Situation an, wie man mit Verwundete, eigene und erst recht feindliche, umgehen würde.
    Ich glaube die allerwenigsten Soldaten würden ihre Kameraden einfach so liegen lassen, wenn nicht dringende Gefahr besteht.

    Auch nervte mich in meiner Wehrdienstzeit diese blödsinnigen Munitionsbegrenzungen. Mit 20 Schuss mit dem MG schiessen. Das ist wirklich erstens kein Vergnügen und zweitens nicht realistisch und zweckmässig.

    Hier übrigens das einzigste echte Schussgefecht der BW.
    Man spürt regelrecht die Befreiung einiger Kameraden endlich mal losballern zu dürfen.
    Auch die besondere "O-Betonung" bei Munitiooon und Autooo, nenne ich mal typisch BW:
    http://www.youtube.com/watch?v=ExvUvK…related&search=
    http://www.youtube.com/watch?v=nlkE8x…related&search=

    Spürpanzer Luchs, was Feines, da war ich auch mit bei, in Ebern.

  • Nun ja, Jounk... Um das zu verstehen, muss man wissen, wie es letztlich ausging. Das möchte ich aber noch nicht schreiben. Vorher möchte ich mal noch ein paar Meinungen sammeln. :D
    EDIT:
    Aber wie ist denn Ihre persönliche Meinung dazu? Hätten Sie es genauso gemacht?

    Alles ist auf irgendein Naturgesetz zurückzuführen. Wenn uns etwas unnatürlich vorkommt, dann nur deshalb, weil wir das entsprechende Naturgesetz noch nicht kennen.
    Meine SF-Story

  • Ich als alter HG der Luftwaffe^^ kann die Handlung verstehen und meine das es die richtige vorgehensweise war. Allerdings weis ich nicht wie ich reagiert hätte. Es spielen wie Flunsi schon sagte zu viele Parameter eine Rolle nicht zuletzt auch die der eigenen Gedanken oder Spontanreaktionen.

    just my 2 cents

    Es gibt nur einen Gott -> BelaFarinRod


  • Aber wie ist denn Ihre persönliche Meinung dazu? Hätten Sie es genauso gemacht?


    Nein, ich hätte brav mein Verbndszeug, Druckkompresse, Verbandtuch usw., herausgeholt und hätte Krankenschwester gespielt.
    Mir wären die ewigen Belehrungen von unqualifizierten Unteroffiziere zum Thema Humanität usw. zu blöd gewesen.

    Achso und im Ernstfall, bei Panzerbeschuss, käme drauf an wie meine und des Kameraden Stellung ist. Wäre sie zu nah oder zu unsicher, würde ich machen dass ich Land gewinne, aber die Lage immer im Auge behalten. Bei Abzug des Panzers sofort zurückkehren.
    Aber wie gesagt, sowas kann man auf dem PC-Sessel schlecht beurteilen. Das sind Entscheidungen, die in Sekundenschnelle zu treffen sind.
    Achso, die Kette ist ja funktionsunfähig. Na dann, den Panzer umgehen, und von der anderen Seite ablenken.

    Einmal editiert, zuletzt von Jounk33 (25. September 2007 um 21:01)

  • Tja, ich war nie bei der Bundeswehr sondern im sozialen Dienst für ein Jahr. Daher kann ich dir keine Absolution oder eine Anklage erteilen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass in einer wirklichen Kriegssituation großartig Gefangene genommen werden. Da geht es ums nackte Überleben. Sicher müssen entsprechende Strukturen in einem Manöver eingeübt werden, nur kann sie auch jeder umsetzten wenn es kein Manöver mehr ist? Meine Opas (alle haben den letzten Krieg mit erlebt) sagten folgendes: "Helden sterben zu erst." Alle drei kamen zurück und ich denke das zählt zu Schluß.

    "Ich mag dieses Logo :hoppel:. Ist es nicht schön? ;) "

    ************Cuivíenen alfirin***********

  • Genau, ein neuer Bundeswehrskandal !
    Vielleicht ist jener Ausruf schon im bundesdeutschen Frontallappen eingemeisselt.

  • Nun ich bin der Meinung das Taurec falsch gehandelt hat. Die erste Frage die sich jeder stellen sollte für solche Fälle ist: "Was erwarte ich von meinem Kameraden, wenn ich in so einer Situation wäre?" Meine Antwort wäre, dass er mich rettet bzw. mir hilft. Ich muss mich auf meine Kameraden verlassen können und umgekehrt und ein Kamerad der mich liegen lässt wenn ich noch nicht tot bin auf den kann man sich nicht wirklich verlassen. Aus diesem Grund wird in Fällen von Verletzungen dem Kameraden geholfen bzw. wird er in Sicherheit gebracht (Deckung, Wald, Unterstand etc.).
    Die Reaktion von Taurec mag nachvollziehbar zu sein, aber ich spinne mal die Situation weiter. Nehmen wir mal an der Kamerad stirbt. So eine Aktion spricht sich schnell in der Kompanie rum und jemand der seinen Kameraden im Stich lässt der ist schnell gebrandmarkt. Auch wenn die Gründe nachvollziehbar waren, werden besonders Leute die mit dem Toten befreundet waren sich im Gefecht nicht mehr wirklich auf Taurec verlassen können, bzw. auch vorher im fast schon misstrauen. Wie auch immer auf jedenfall wird solch ein Fall starke Gerüchte durch die Kompanie gehen lassen und die Person wird einen schweren Stand haben.

  • Hi,

    also vorweg: Ich war nie bei dem "Verein", da mich die Leute bei der Musterung zu einem Facharzt geschickt haben. Der sagte mir, dass ich eigentlich nichts hätte, fragte aber dann, ob ich das dringende Bedürfnis hätte eingezogen zu werden. Das hatte ich natürlich nicht...


    Zum Fall kann ich denjenigen hier zustimmen, die meinen, dass es situationsabhängig ist. Meiner Meinung nach sind Theorie und Realität da völlig unterschiedlich zu bewerten.
    Sollte so etwas mal real werden (was ich keinem wünsche) so spielt glaube ich Adrenalin, "natürlicher Selbstschutztrieb" etc ne große Rolle.


    Jetzt mal was anderes: Ist es heute nicht so, dass in Kriegssituationen jeder Soldat mit Funk ausgestattet ist und hier Verstärkung rufen könnte bzw. jemanden um Rat fragen könnte?

    "Manche Arschlöcher glauben an Gott, andere Arschlöcher an Allah.
    Das hat aber nichts mit Religion zu tun.
    Arschloch ist Arschloch, fertig!"

    Volker Pispers

  • Wie auch immer,
    Ich denke wir alle waren noch nie in einer echten militärischen Gefechtssituation.
    Mein Schwiegervater (83, Demenzkrank, lebt mittlerweile wieder in den 50ger Jahren), Kampfpionier (Griechenland, Krim, Bulgarien) trägt heute noch ein metalliges Andenken in seiner rechten Schulter.
    Als er verwundet wurde rannten alle seine Kameraden davon. Ein Standhalten und die Versorgung und Bergung von Verwundeten glich in dieser Situation Selbstmord.
    Für sowas hat jeder Verständnis der in so einer Lage war. Zumindest bemängelte er nie das Verhalten seiner Kameraden diesbezüglich, umso mehr aber das Verhalten seiner Kameraden im Kriegsgefangenenlager.

    Vor allem unerfahrene Soldaten dürften in heikle Situationen über keinen ausgesprochenen Überblick verfügen, was erfahrnenere und kampferprobte rutinierte Soldaten ausgleichen müssen.
    Zwar bietet die Ausbildung in der Bundeswehr einen hohen Standart an Theorie, aber es mangelt eindeutig an praktischen Gefechtsübung und Professionalität. So dass sich otimales Verhalten (also Sicherheit und dennoch Kampffähig) in realen gefechten erst mit der Zeit durch Eigenerfahrungen einstellen können.
    Aber im grunde ist ein perfektes Gefechtsverhalten eines jeden Kamerdaen ohnehin nie zu erwarten. es müssen Entscheidungen innerhalb von Sekunden getroffen werden und in dieser Zeit immer das richtige zu tun kann nicht erwartet werden, vor allem wenn es um Leben und Tod geht.
    Ein weiterer Faktor spielt auch die Moral, die ziemlich am Ende sein dürfte wenn man nicht genau weiss ob man den heutigen Tag überhaupt noch überlebt und das Tag für Tag über Wochen und Monate. Aber das würde jetzt zu weit führen.

    EDIT:
    Chanteras,
    Zu meiner Ausbildungszait gab es nur ein Funkgerät (Das war ein übelst schwerer Kasten, der von irgendeinem Unglücklichen auf dem Rücken getragen wurde, pro Zug. (ein Zug ist eine Unterabteilung einer Kompanie und ist meist um die 25 Mann stark). Es ist auch eine Ausnahme, dass zwei Soldaten mutterseelenalleine sich im Gefecht befinden. Die kleinste Einheit in der BW, sowie bei den meisten anderen Armeen auch, ist der Zug.
    Es sei denn man ist Fernspäher,.

    2 Mal editiert, zuletzt von Jounk33 (29. September 2007 um 00:28)

  • Chanteras
    Zu meiner Zeit waren die Funktgeräte schon etwas leichter, aber in der Regel hat nur einer pro Zug, maximal pro Gruppe, ein Funkgerät. In einer Defensivstellung ist man je nach Stellung zu zweit in einem Schützenloch oder so, da kann es auch schon mal vorkommen das man weiter weg von den anderen der Einheit ist und dort hat man in der regel kein funkgerät.

  • Es wurde von Grund auf falsch gehandhabt.

    1. Das erste was man macht nach einem Abschuss einer Panzerabwehrwaffe ist ein Stellungswechsel. Es ist völlig logisch, das ein angeschossenes Fahrzeug wie in diesem Fall ein Panzer erstmal in die Richtung feuert, wo die Rauchentwicklung (durch den Abschuss der Panzerfaust) entstanden ist. Der Panzer wird als nächsten Schritt sich einnebeln mit Nebelwurfkörper, und versuchen auch mit defekter Kette zurück zu fahren zu seinem letzten Sprungpunkt.

    2. Deine Entscheidung die Waffe, Munition zu schnappen, und aus dem Gefahrenbereich zu verschwinden, ohne Deinen Kameraden war die einzigst richtige Entscheidung. Damit bleibt Deine Kampfkraft bestehen, und was am wichtigsten ist, Du kannst den Panzer aus einer anderen Stellung weiter bekämpfen und vernichten. Einem Kameraden, der schwer verletzt ist, kann in dieser Situation nicht geholfen werden, ohne größeren Zeiteinsatz, und zusätzlicher Gefahr, das Ihr weiteres Feuer auf Euch zieht. Selbst wenn Du Deinen Kameraden aus der Gefahrenzone hättest bringen können, spätestens auf dem Truppenverbandsplatz wäre sein Schicksal besiegelt gewesen. Schwerverletzte werden aussortiert, und landen meist auf den letzten Plätzen der Behandlungsreihe. Effizienz zählt, keine Einzelschicksale, so brutal das auch klingen mag.

    Zum Video aus dem Kosovo:

    Der Panzerkommandant hätte einfach nur einen langen Feuerstoß mit dem Turm-MG machen brauchen, was eigentlich auch geübt wird, ein langer Feuerstoß beinhaltet zwischen 150 - 300 Schuß und der Fall wäre erledigt gewesen.

  • Natürlich ist es wichtig sein einges Leben und die Waffe zu rette, wenn man Soldat ist. Ich habe zwar meinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet, aber ich war stattdesen bei der fremdenlegion und dort wird von anfang an gesagt, verrate, betrüge und lasse deinen Kameraden nie im Stich, egal was ist..wir lassen keinen Zurück. Natürlich, ist der Verlust einer Panzerfaust auf dem Ersten Blick nichts wert, aber die Waffe kostet eine Stange geld und 2. jeder Tote Feind ist ein guter feind. Oder? Keine Ahnung wie ich mich verhalten hätte, aber auf Grund meiner Überzeugung hätte ich den Kameraden gerettet und die panzerfaust liegengelassen, den ein Menschenleben ist sicher mehr wert als eine Panzerfaust. Den Panzer kann man auch mit Granaten erledigen..notfalls.

    mfg Valmar

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